Häuser mit Wirkung

Astrid Labbert

Wie das Bremer Architekturbüro Feldschnieders + Kister sich mit humaner Architektur einen Namen gemacht hat.

Mit einem cleveren Wohnkonzept für Flüchtlingsunterkünfte sorgte das Architekturbüro Feldschnieders + Kister zuletzt bundesweit für Aufsehen. Die Bremer Architekten stellen den Menschen in den Mittelpunkt; ganz gleich, ob es sich um das Entwerfen von Wohn-, Arbeits- oder Lernorten handelt. Klingt banal? Ein Besuch.

Fast zwei Jahre ist es jetzt her, dass die Bremer Architekten sowohl in der Fachwelt als auch in der Öffentlichkeit mit ihren bunten Übergangswohneinrichtungen in Containerbauweise für Aufsehen sorgten. Es war damals eine Ausnahmesituation: Schnell sollte es gehen mit der Realisierung von dringend benötigten Übergangswohnungen in Bremen, und nicht zu teuer. „Es gab keine Vorbilder oder Handlungshilfen“, erinnert sich Tobias Kister.

Wenn die Architekten Stefan Feldschnieders (51) und Tobias Kister (53) heute in ihrem Büro in der Bremer Innenstadt auf diese Zeit zurückblicken, sind sie noch immer zufrieden mit ihrer architektonischen Antwort: „Die Idee trägt auch jetzt noch.“ Denn sie hatten wohnliche Containermodule entworfen, die sich clever zu Wohneinheiten kombinieren lassen und sowohl Begegnung als auch Rückzug ins Private ermöglichen. Darin spiegelt sich auch eine Haltung wider:

Architektur ist elementar und hat immer eine Wirkung auf Menschen, die darin leben oder arbeiten. Das ernst zu nehmen, ist uns wichtig.
Tobias Kister, Dipl.-Ing. Freier Architekt bei Feldschnieders + Kister 

Architektur: die richtige bauliche Antwort finden
2016 gingen ihre Entwürfe für die Übergangswohneinrichtung „Blaues Dorf“ in die Gruppenausstellung im Deutschen Pavillon auf der 15. Architekturbiennale in Venedig unter dem Motto „Making Heimat“ ein. Es folgte eine Nominierung zum Preis für Architektur 2017 des Deutschen Architekturmuseums. „Die Flüchtlingsarchitekten“ werden sie seither manchmal genannt. Aber darauf wollen sich die Bremer nicht reduzieren lassen. „Wir finden für die jeweilige Aufgabe die richtige Lösung, die bauliche Antwort“, formuliert Stefan Feldschnieders ihr Credo. Egal, ob Feuerwehrhaus, Industriegebäude oder Schule: Was wollen wir für eine Architektur? Wie wollen wir leben, lernen, arbeiten? Es sind Fragen, die sich Feldschnieders und Kister immer wieder neu stellen, mit jedem Auftrag oder Wettbewerb. Architektur, sagt Tobias Kister, „ist ein Lebensinhalt, der in sehr viele Bereiche hineinspielt.“

Schulen: Der Raum als Pädagoge
Seit 20 Jahren arbeiten die beiden gemeinsam in Bremen, viel haben sie für öffentliche Auftraggeber realisiert und sich unter anderem ein Standbein in der pädagogischen Architektur aufgebaut. Diese will die räumlichen Voraussetzungen für Lernen in Schulen und Kitas schaffen, oder anders gesagt: die pädagogischen Ziele in Raumstrukturen übersetzen. Fachleute sprechen auch vom Raum als „dritten Pädagogen“ neben dem Lehrer und den Mitschülern. „Das Thema Bildung ist ein wichtiger Schwerpunkt, den wir sehr nachhaltig betreiben und mit dem wir ebenfalls Erfolg haben“, betont Tobias Kister. Derzeit scheitern vernetzte und flexible Lernformen oft an architektonisch bedingten Grenzen in Schulgebäuden, die einst für den Frontalunterricht konzipiert wurden. Anders an der Oberschule Osterholz-Scharmbeck: Die Bremer Architekten haben dort das Vorreiterprojekt „Lernhaus“ mit offenen Räumen und Lernorten mit entworfen.

Orte statt Problemkieze schaffen
Doch zurück zu den Übergangswohneinrichtungen. „Wie schafft man Privatheit?“, war eine der Fragen, die die Architekten sich hier zuerst stellten – vor dem Hintergrund, dass die künftigen Bewohner aus beengten Sammelunterkünften, aus Turnhallen kommen würden. Baurechtliche Gründe führten schnell zum Containermodul, davon ausgehend entstand ein kleines Quartier: Vier bis sechs Häuser rund um einen gemeinsamen Innenhof ergeben eine Einheit mit Wohnungen, Gemeinschafts- und Verwaltungshaus, alles in freundlichen Farben gestrichen. „Eigentlich ist das drittes Semester Architekturstudium und ganz einfach“, sagt Stefan Feldschnieders. „Beim Wohnen geht es um Zonierung: vom öffentlichen, über den halböffentlichen, zum privaten Raum. Dann wird Wohnen humanitär.“ Kein nächstes Ghetto, kein Problemkiez:

Wir wollten einen Ort schaffen, keine Legebatterien..
Stefan Feldschnieders, Dipl.-Ing. Freier Architekt bei Feldschnieders + Kister Architekten BDA

Wichtig war ihnen auch, die Kleinstwohnungen in die Umgebung einzupassen statt eine Anlage mit Sonderunterkünften zu schaffen, die man später für teures Geld wieder würde rückbauen müssen. „Man sollte sich die Zeit für gute Entscheidungen nehmen“, ist ihre Erfahrung – auch in Drucksituationen. Dies sei in Bremen beim Bau der Übergangswohnheime geschehen.

Die aktuelle Herausforderung: knapper Wohnraum
Die aktuelle, große Herausforderung sehen die Architekten im knappen Wohnraum in deutschen Städten. Lebensweisen haben sich verändert, darauf müsse auch der Wohnungsbau reagieren. Bezahlbares Wohnen für Ein-Eltern-Familien, für Singles: Da brauche es neue Ideen und Entwürfe. Dass die Wettbewerbskultur in ihrer Branche auf dem Rückzug ist, bedauert Stefan Feldschnieders in diesem Zusammenhang, denn es sei eine gute Möglichkeit, „um die beste Idee zu ringen.“ Der Wettbewerb „Wohnraum schaffen“ der Architektenkammern Niedersachsen und Bremen sowie des Verbands der Immobilien- und Wohnungswirtschaft etwa hatte im vergangenen Jahr nach architektonischen Lösungen gesucht, die schnell, kostengünstig, aber mit Qualität realisierbar sind. Zu den Gewinnern zählte ein Entwurf vom Büro Feldschnieders und Kister, der nun in Hannover realisiert wird.

Dort werden derzeit auch die letzten Wohneinheiten für Geflüchtete fertig gestellt. 14 Anlagen werden es am Ende in Bremen und Hannover sein, mit insgesamt 1.500 bis 2.000 Wohnplätzen. „Diese Anlagen haben zu verblüffenden Reaktionen geführt“, erinnert sich Tobias Kister an die ersten Bezüge. „Es gab Bewohner, die haben geweint vor Glück, weil sie endlich einen Rückzugsort hatten. Als sich später zeigte, dass es weder Vandalismus noch Stress und Polizeieinsätze gab, merkten viele: Hier funktioniert etwas. Hier ist Ruhe. So kann Heimat entstehen.“

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